Content Table
Einleitung
An wen richtet sich dieser Text und worum geht es?
Der vorliegende Text erklärt die Empfehlungen in der klinischen Leitlinie der European Respiratory Society (ERS) zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe mit anderen Therapieverfahren, als der kontinuierlichen Positivdrucktherapie (CPAP). Dieser erläuternde Text richtet sich an Menschen mit obstruktiver Schlafapnoe und ihre Betreuenden.
Was sind klinische Praxisleitlinien?
Die klinischen Leitlinien werden nach einem wissenschaftlichen Prozess zusammengestellt, bei dem die neuesten Erkenntnisse des Fachgebietes zusammengetragen und ausgewertet werden. Die Leitlinien berücksichtigen auch die Meinungen führender Experten, die Prioritäten von Patientinnen und Patienten und ihren Betreuenden, die Erfahrung mit der Erkrankung haben. Die klinischen Leitlinien richten sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die sie als Standard zur Diagnostik, Betreuung und Behandlung spezieller Erkrankungen nutzen.
Worum geht es im vorliegenden Text?
Dieser Text fasst die wichtigsten Punkte der klinischen Leitlinie zusammen. Er erklärt sie so, dass sie die für diejenigen leichter zu verstehen ist, die nicht im Gesundheitswesen arbeiten. Es beschreibt das Krankheitsbild der obstruktiven Schlafapnoe und seine Behandlung. So versucht der Text Patientinnen und Patienten mit Schlafapnoe zu helfen, mehr über die verfügbaren Therapien zu erfahren und sich bei ihren Entscheidungen besser informiert zu fühlen.
Was ist obstruktive Schlafapnoe?
Das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS), oft auch obstruktive Schlafapnoe (OSA) genannt, ist durch eine gestörte Atmung während des Schlafes gekennzeichnet. Vereinfacht gesagt können die Betroffenen nicht richtig atmen, da es zu einer zeitweisen Blockade der Atemwege im Halsbereich kommt.
Im Schlaf ist unsere Muskulatur entspannt. Auch die Muskulatur im Schlund entspannt sich, die Zunge fällt zurück und beides engt die oberen Atemwege ein. Dies kann die Atmung für eine kurze Zeit unterbrechen. Das nennt man Apnoe (Atemstillstand). Wenn dies passiert, kann es zu einer kurzfristigen Weckreaktion des Gehirns kommen, die Atemwege werden wieder eröffnet und die Atmung beginnt erneut. Das häufige Erwachen aus dem Schlaf heraus kann die Schlafqualität zerstören und zu einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit führen.
Jede Apnoe ist mit einer Beschleunigung des Pulses und einem Anstieg des Blutdruckes verbunden. Die Blutdruckerhöhung kann sich auch noch während des Wachzustandes fortsetzen und das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle erhöhen.
Was ist CPAP?
Die kontinuierliche Positivdrucktherapie (continuous positive airway pressure, CPAP) ist die Standardbehandlung der mittelschweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe. Die CPAP-Geräte arbeiten so, dass sie einen Luftstrom erzeugen, der die oberen Atemwege im Schlaf offenhält. Die Luft strömt durch einen Schlauch und eine Maske in den Schlundbereich. Die Geräte werden zuhause während des Schlafes genutzt. Diese Art der Therapie zielt darauf, die Einengung der Atemwege zu beseitigen.
Obwohl CPAP die effektivste Behandlung ist, empfinden sie manche Patientinnen und Patienten als schwierig oder störend. In den letzten Jahren ist viel zu den Ursachen der Schlafapnoe geforscht worden. Neue Therapien und Behandlungsoptionen versuchen auf andere Art, die Symptome der Schlafapnoe zu verbessern. Die neue Leitlinie bewertet ein Reihe dieser Verfahren, vergleicht sie mit der CPAP-Therapie und gibt den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens Empfehlungen, wie sie die Behandlungen einsetzen sollen.
Chirurgische Verfahren
Operationen zur Vorverlagerung des Kiefers (maxillo-mandibuläre Osteotomie)
Diese Form der Operation bringt Oberkiefer und Unterkiefer in eine vorverlagerte Position und erweitert so die Atemwege. Von der Behandlung können alle Patienten mit einer mittelschweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe profitieren, besonders solche, die eine Kieferfehlform haben. Die Operation hat einige Risiken und bedarf einer längeren Erholungszeit als andere Maßnahmen.
Die maxillo-mandibuläre Osteotomie ist eine effektive Form der Behandlung. Wissenschaftliche Daten zeigen sie als der CPAP-Therapie gleich effektiv. Die Entscheidung zur Operation muss individuell getroffen werden. Manche Patienten bevorzugen CPAP, da es keinen so großen Eingriff darstellt. Die Operation kann jedoch eine Alternative für diejenigen sein, die CPAP nicht anwenden möchten, oder keine Verbesserung ihrer Symptome dabei festgestellt haben.
Hypoglossus-Nerven-Stimulation
Bei der Operationen zur Stimulation des Nervus hypoglossus wird ein kleines Gerät in den Körper implantiert (eingebaut), ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Der Hypoglossus (Unterzungen)-Nerv verläuft im Schlund- und Unterkieferbereich und kontrolliert die Bewegung der Zunge. Das eingebaute Gerät stimuliert elektrisch den Nerv und aktiviert so den Zungenmuskel. Die Zunge wird nach vorne bewegt und verhindert so eine Blockade der Atemwege.
Diese Form der Operation sollte nicht als erste Maßnahme in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe erfolgen. Es gibt nur begrenzte wissenschaftliche Daten zur Wirksamkeit. Daher sollten zunächst andere Methoden, zum Beispiel CPAP oder die Unterkiefervorschubschienen (siehe unten) genutzt werden.
Die Hypoglossus-Stimulation sollte bei folgenden Patientinnen und Patienten erwogen werden:
- Patienten mit unzureichender Verbesserung ihrer Symptome nach Behandlung mit den anderen genannten Therapiemethoden,
- Patienten, die einer relativ hohen Anzahl obstruktiver Atmungsstörungen haben, und
- Patienten, die nicht zu stark übergewichtig sind (der Body-Mass-Index sollte unter 32 kg/m2 liegen).
Operationen zur Gewichtsreduktion
6 – 9 von 10 Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe sind übergewichtig. Das Übergewicht ist der häufigste Risikofaktor für obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen. Starkes Übergewicht kann zu einer Fettansammlung im Halsbereich führen und so obstruktive Schlafapnoe auslösen. Gewichtsverlust kann Symptome vermindern oder manchmal ganz beseitigen.
Bei sehr stark übergewichtigen Menschen können Operationen zur Gewichtsverminderung eingesetzt werden. Sie werden bariatrische Operationen genannt. Es gibt verschiedene Typen der Operationen zur Gewichtsverminderung, zum Beispiel Magenbänder oder Magenumgehungsoperationen (Bypass). Die verschiedenen Operationen begrenzen die Menge Nahrung, die eine Person essen kann, und reduzieren so das Gewicht.
Vor einer solchen Operation sollten alle Bemühungen unternommen werden, das Gewicht in Programmen mit Diät, Training und Beratung) zu vermindern. Vor der Entscheidung zur Operation sind eventuelle Begleitkrankheiten und die persönlichen Wünsche und Vorstellungen des Patienten oder der Patientin zu berücksichtigen.
Es gibt nur wenige wissenschaftliche Daten zur Wirksamkeit der bariatrischen Operationen speziell bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe.
Medikamentöse Therapie
Carboanhydrasehehemmer
Carboanhydrasehemmer sind Medikamente, die bei Erkrankungen wie hohem Augeninnendruck (Glaukom, grüner Star) oder Epilepsie eingesetzt werden. Sie sind für die Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe nicht zugelassen. Dennoch gibt es einige Studien die zeigen, dass die Medikamente Atemstörungen bei Patienten mit Herzschwäche reduzieren können. Wie dies funktioniert ist noch nicht noch nicht vollständig erforscht. Es wird jedoch angenommen, dass die Medikamente einen Einfluss auf die Atmungssteuerung haben.
Die Medikamente sollten nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien eingesetzt werden, die die Vorteile und Nachteile der Behandlung bei Schlafapnoe untersuchen.
Andere Therapieverfahren
Individuell angepasste, zweiteilige Unterkiefervorschubschienen
Unterkiefervorschubschienen (mandibular advancement devices, MAD) werden im Mund, den Zähnen aufliegend, getragen. Sie verlagern Unterkiefer und Zunge nach vorne und schaffen so mehr Raum in den oberen Atemwegen zum Atmen.
CPAP vermindert die Anzahl der Atemstörungen wirksamer als Unterkiefervorschubschienen. Jedoch bevorzugen einige Patienten die Unterkiefervorschubschienen gegenüber dem CPAP-Gerät. Eine Vorschubschiene kann bei Patientinnen und Patienten mit leichter bis mittelschwerer obstruktiver Schlafapnoe vorteilhaft sein. Hier ist es oft nicht so wichtig sein, die Atemaussetzer sehr zu vermindern. Vor allem sollen Lebensqualität und Tagesschläfrigkeit wirksam gebessert werden.
Training von Gesichts- und Zungenmuskeln (myofunktionale Therapie)
Bei der myofunktionalen Therapie geht es um ein Muskeltraining im Bereich von Gesicht und Zunge. Damit sollen Schwierigkeiten bei der Zungenstellung korrigiert werden. Zunächst werden Patientinnen und Patienten von einem spezialisierten Mitarbeitenden (Physiotherapeuten) geschult. Dann sollen sie die Behandlung regelmäßig zu Hause durchführen. Das Training soll die Aktivität der Zunge und der oberen Atemwegsmuskeln verbessern und so die Symptome der Schlafapnoe verringern.
CPAP wirkt besser als das Muskeltraining. Auch gibt es nur wenig wissenschaftliche Daten zu den Verfahren. Manche Studien zeigen, dass das Training die Schläfrigkeit verbessert. Aber es kann die Anzahl der Atemaussetzer nicht so gut verringert werden wie CPAP. Die myofunktionale Therapie kann bei einzelnen Patientinnen und Patienten sinnvoll sein, die nach einer Alternative zur CPAP-Therapie suchen. Allerdings gibt es nur wenige qualifizierte Sprachtherapeuten (Logopäden) die in der Behandlung bei Schlafapnoe geschult sind.
Positionstherapie
Ein Teil der Schlafapnoepatientinnen und –patienten zeigen mehr Atmungsstörungen in der Rückenlage als in der Seitlage. Die Positionstherapie versucht, die Patientinnen und Patienten in der Seitposition zu halten. Verschiedene Hilfsmittel stehen dazu zur Verfügung. Dazu gehören Gurte mit Schaumeinlagen, die das Drehen von der Seite auf den Rücken verhindern. Außerdem gibt es Vibrationsgeräte, die dem Patienten oder der Patientin ein vibrierendes Signal geben, wenn er/sie sich auf den Rücken dreht. Die Vibration hält an, bis er oder sie sich wieder auf die Seite legt.
Vibrationsgeräte können bei Menschen empfohlen werden, die eine positionsabhängige Schlafapnoe haben. Diese Geräte sind besser als andere Methoden zur Rückenlageverhinderung. Wissenschaftliche Daten zeigen nämlich, dass sie länger genutzt werden. Die Geräte wirken schwächer als die CPAP-Therapie, sie werden jedoch von einigen Betroffenen gegenüber der CPAP-Therapie bevorzugt.
Weiterführende Informationen
Diese Leitlinie wurde von der European Respiratory Society und der European Lung Foundation erstellt. Sie können mehr über diese Organisationen erfahren und den Gesamttext der Leitlinie über folgende Links erhalten:
Gesamtleitlinie – publiziert in der Zeitschrift European Respiratory Review im Dezember 2021
Weitere Informationsquellen für Patientinnen, Patienten und ihre Betreuenden
European Lung Foundation – Informationsblatt zur CPAP-Therapie: https://europeanlung.org/en/information-hub/factsheets/continuous-positive-airway-pressure-cpap/
European Lung Foundation – Informationsblatt zur Schlafapnoe: https://europeanlung.org/en/information-hub/factsheets/sleep-apnoea/
Über die ERS
Die European Respiratory Society (ERS) ist eine internationale Organisation, die Ärztinnen und Ärzte, andere Mitarbeitende des Gesundheitswesens, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Expertinnen und Experten zusammenbringt, die in der Lungen- und Bronchialheilkunde arbeiten. Es ist eine der führenden medizinischen Organisationen im Bereich Lungen und Atemwege mit einer wachsenden Mitgliederschaft, die über 140 Länder repräsentiert. Ziel der ERS ist es, Lungengesundheit voran zu bringen, das Leiden an diesen Erkrankungen zu verringern und Standards der Lungen- und Bronchialheilkunde weltweit voranzutreiben. Wissenschaft, Lehre und politisches Engagement sind zentrale Anliegen der ERS. Die ERS treibt wissenschaftliche Forschung voran und ermöglicht den Zugang zu hochwertigen Lehrangeboten. Wesentliche Aufgabe ist auch das Engagement dafür, in der Öffentlichkeit und der Politik eine Wahrnehmung von Lungenerkrankungen zu schaffen. www.ersnet.org
Über die ELF
Die European Lung Foundation (ELF, Europäische Lungenstiftung) wurde von der ERS gegründet, um Patientinnen und Patienten und die Öffentlichkeit mit den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens zusammenzubringen. Die ELF erstellt einfach verständliche Zusammenfassungen der Empfehlungen an das europäische medizinische Fachpersonal und macht sie öffentlich zugänglich. Diese Texte enthalten keine ausführlichen Informationen und sollten daher nur zusammen mit anderen Patienteninformationen und dem persönlichen Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt genutzt werden. Mehr Informationen über Lungenerkrankungen sind auf der ELF-Webseite zu finden: www.europeanlung.org.